Zwei, drei Sekunden haben ausgereicht, um sein Leben auszulöschen.

Thomas H. | Polizist

 

Seit 40 Jahren arbeitet Thomas H. als Polizist in Münster. Der groß gewachsene Beamte hat in diesem Beruf schon fast alles erlebt und gesehen. An die Zahl der Verkehrsunfälle mit Verletzten und auch Toten kann er sich nicht mehr erinnern. Aber manche Bilder haben sich tief in seinem Gedächtnis eingebrannt. 


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Im Jahr 2016 starben in Deutschland 3.214 Personen bei Verkehrsunfällen. Bei jedem Todesfall zerbricht mehr als ein Leben. 113 Menschen sind im Durchschnitt betroffen, wenn ein Mensch bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt: elf Familienangehörige, vier enge Freunde, 56 Freunde und Bekannte sowie 42 Einsatzkräfte wie Rettungssanitäter oder Polizisten. 

„Andere ziehen nach Feierabend ihre Jacke aus und gehen nach Hause. Aber es gibt Dinge im Leben als Polizist, die kann man nicht ausziehen, die bleiben haften“, erklärt Thomas H. Der 61-Jährige sitzt hinter seinem Schreibtisch in der Polizeiwache Münster. Er schaut für einen kurzen Moment aus dem Fenster in den Hof. Seine Augen werden glasig, als er beginnt, von einem dieser Unfälle zu erzählen, die ihn nicht mehr loslassen.

Als der Anruf reinkam und die Kollegen die ersten Infos von der Unfallstelle weitergaben, wussten die Beamten schnell, dass es unangenehm werden wird. „Es war ein schöner und sonniger Tag. Bis zu dem Moment hatten wir gute Laune.“ Die schlug schnell um und die Mienen der Beamten wurden angespannt. Hätten Thomas H. und seine Kollegen die Wahl gehabt, sie wären im Präsidium geblieben. Aber sie sind los, professionell ihren Job erledigen, funktionieren.

Das Auto des Unfallverursachers war frontal in einen 40-Tonner auf der Gegenfahrbahn gekracht. Der Fahrer war sofort tot. Die Augen waren noch weit geöffnet, ebenso der Mund. Der Tacho stand eingefroren auf 70 Kilometer pro Stunde. Die Feuerwehr musste den Toten nach und nach aus dem Blechberg schneiden. Zwischen den Beinen fanden die Rettungskräfte ein Handy. „Der Fahrer wollte eine Nachricht beantworten. Das Wort ‚Hallo‘ stand auf dem Display“, sagt der Dienststellenleiter Thomas H. Das Foto dieses furchtbaren Unfalls hat er auf seinem Rechner gespeichert. „Zwei Sekunden Ablenkung haben ausgereicht, um das Leben des jungen Mannes auszulöschen“, erklärt Thomas H. Dann atmet er tief durch. Solche Erinnerungen kann man nicht vergessen.

Noch emotionaler als die Bilder und Eindrücke von der Unfallstelle sind die Zusammentreffen mit den Hinterbliebenen und das Überbringen der Todesnachricht. Besonders ein Fall, als zwei kleine Kinder in freudiger Erwartung auf ihren Vater am Fenster standen, lässt ihn nicht mehr los. Noch bevor er die traurige Nachricht ausgesprochen hatte, war den Kleinen schon klar, dass etwas ganz Schlimmes passiert ist.

Diese Erfahrungen haben den Dienststellenleiter dazu bewegt, bei der Aktion „Crashkurs NRW“ junge Menschen für die Gefahren im Straßenverkehr zu sensibilisieren. Seine Botschaft ist unmissverständlich: „Lasst das Handy weg, lasst euch nicht ablenken. Zwei Sekunden reichen aus, um das Leben auszulöschen.“

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Mindestens jeder zehnte Verkehrstote lässt sich auf Ablenkung zurückführen. Dennoch nutzt laut einer aktuellen Studie fast jeder zweite Autofahrer (46 Prozent) das Mobiltelefon während der Fahrt. Jeder siebte Autofahrer tippt hinterm Steuer Textnachrichten und jeder vierte liest SMS, Messenger oder Mails.

Quelle: Allianz-Studie 2016